Das ist ein Nachtrag zu einem ungewöhnlichen Vorort-Termin am Suhler Bahnhof. Die CDU-Fraktion hatte am 4. August um 13 Uhr Medien, Bürger und Akteure eingeladen. Das gab es bislang noch nicht, dass Betroffene, in diesem Falle die Städtische Nahverkehrsgesellschaft und der neue Eigentümer des Bahnhofsgebäudes ihre erste Begegnung vor laufenden Kameras hatten...
Lieber Bürger, stellen Sie sich doch bitte einmal folgende Situation vor: Sie besitzen ein schönes, zweckmäßiges neues Haus. Der Garten ist allerdings etwas vernachlässigt, genau wie der Streifen Land, der sich anschließt und Ihrer Tochter gehört. Sie beide wollen nun gemeinsam aus diesem Grund und Boden etwas Schönes, Nützliches machen. Deshalb haben Sie sich einen Landschaftsarchitekten geleistet. Der hat einen Gestaltungsentwurf gemacht, alle Familienmitglieder fanden den sehr in Ordnung. Die Bank hat Ihnen den Kredit bewilligt. Das Haus, das an Ihr Grundstück grenzt und in den letzten Jahren immer wieder seinen Besitzer wechselte, ist in Ihren Plänen nicht berücksichtigt. Die jeweiligen Eigentümer haben es Ihnen mehrfach zum Kauf angeboten. Sie wollten es nicht erwerben, denn Sie haben bereits ein schönes Haus. Plötzlich aber bekommt ein Mitglied Ihrer Familie einen Rappel. Ohne mit Ihnen oder Ihrer Tochter gesprochen zu haben, lädt er den neuesten Eigentümer des angrenzenden Hauses ein, nicht zu Ihnen in die gute Stube. Nein, das Kennenlernen und der Vorort-Disput erfolgen auf der Straße vor laufenden Fernsehkameras und eingeschalteten Radiomikrofonen. Ihnen rät der nach Öffentlichkeit gierende Verwandte, doch erst einmal mit dem neuen Eigentümer über Ihre fertigen Pläne zu sprechen und Vorstellungen zu entwickeln, damit dessen Haus einbezogen wird und nicht verfällt. Der neue Nachbar selbst hat noch keinerlei Pläne und kennt noch nicht einmal das Gebäude. Herzen Sie nun Ihren Verwandten oder denken Sie darüber nach, was der wohl mit diesem Auftritt im Schilde führt?
Sie meinen, das ist erfunden? Na, dann lesen Sie doch einfach weiter...
SNG und Stadtverwaltung haben mit Unterstützung eines Planungsbüros ein Konzept erarbeitet, um den Suhler ÖPNV auf heutiges Niveau zu bringen. Die Planungen zur Kommer- und Bahnhofstraße wurden zwei Jahre lang in den zuständigen Ausschüssen, Beiräten und in den Medien vorgestellt und diskutiert, sogar im Stadtrat. Alle Fraktionen waren sich bislang einig. Das machen wir so, denn für die bessere Verknüpfung zwischen Bahn und Busverkehr gibt es im Freistaat großzügige Förderprogramme. SNG und Stadt bewarben sich, legten konkrete Planungen vor. Dazwischen lagen unzählige Sitzungen, Vor-Ort-Termine, Gespräche mit Mitarbeitern der zuständigen Behörden. Der Förderantrag wurde vor einigen Wochen bewilligt. Jetzt geht es um die detaillierte Planung und um den Umstand, dass sich das Projekt verteuert, weil der Untergrund des jetzigen Busbahnhofes Kommerstraße stark kontaminiert ist.
Im Einvernehmen aller Fraktionen wurde das Bahnhofsgebäude aus der Planung ausgeklammert, weil die Einbeziehung keinen Sinn machen würde. Denn das Objekt ist weder im Eigentum von SNG noch der Stadt. Zwar wurde es der Stadt Suhl von den jeweiligen Eigentümern mehrfach zum Kauf angeboten. Doch die Stadt hat dafür weder Geld noch Verwendung, verfügt sie doch selbst noch über mehrere Immobilien, die dringend eine neue Nutzung brauchen oder saniert werden müssen. Der Stadtentwicklungsausschuss lehnte mehrfach einstimmig den Erwerb des Bahnhofsgebäudes ab. Ausschussvorsitzender Markus Kalkhake (CDU): „Für einen Kauf des Gebäudes durch die Stadt Suhl gibt es keine kommunalrechtliche Handhabe.“ (Ausschuss-Protokollnotiz) In einigen Tagen wird sich die zuständige Ministerin in der Kommer- und Bahnhofstraße ein Bild vom geplanten Verknüpfungspunkt Bahn/ÖPNV machen.
Wie gesagt, bislang waren sich alle Fraktionen stets einig. Auch aus dem nachfolgenden Grund: Die Städtische Nahverkehrsgesellschaft hat in der Kommerstraße mit Fördermitteln ein ansehnliches Funktionsgebäude gebaut. Deshalb besteht für das Haus noch einige Jahre Zweckbindung. Würde die SNG das Gebäude verkaufen oder für Wohnungen umbauen, müsste ein Teil der Fördermittel zurückgezahlt werden.
Der Vororttermin am 4. August: Das war zugegebenermaßen ein öffentlichkeitswirksamer CDU-Auftritt als Stadtkümmerer, der an den Vorschlag von CDU-Fraktionsmitglied Lars Jähne, einem engen Vertrauten von Ex-OB und CDU-Fraktionsmitglied Dr. Martin Kummer, anknüpfte: Die SNG möge doch ihr Projekt Umbau des Busbahnhofes und der Bahnhofsstraße überdenken. SNG oder Stadt könnten das Bahnhofsgebäude kaufen und es zum SNG-Funktionsgebäude umbauen. Das derzeitige könne ja verkauft oder anders genutzt werden.
Doch jetzt war schon nicht mehr vom Kauf des Objektes durch Stadt und SNG die Rede, weil gar nicht möglich (!), sondern von Unterstützung des neuen Bahnhof-Eigentümers. Aber diese Unterstützung würden alle Stadträte fraktionsübergreifend ebenso leisten, wenn denn ein Hoffnungsstreif am Bahnhofshimmel zu erspähen wäre. CDU-Fraktionschef Andre Knapp lobte zwar das bisherige Engagement der SNG, aber nun sei es wichtig, die Pläne der SNG noch einmal herzunehmen, zu schauen und zu überprüfen. Das wortreiche Bemühen, die CDU als Retter des historischen Bahnhofes in Szene zu setzen, war erkennbar. Ein Ergebnis des Spektakels nicht.
Nicht nur die Vertreter von SNG-Geschäftsführung, SNG-Aufsichtsrat, sondern auch Mitglieder der Stadtratsfraktionen von Die Linke und SPD fragen sich, was würde eine Investition ins Bahnhofsgebäude am vorliegenden Projekt „Verknüpfung des ÖPNV mit der Bahn“ ändern? Der neue Besitzer, der das Gebäude mit 130 anderen im Paket erworben hat, sah seine neue Immobilie am 4. August überhaupt zum ersten Mal. Einen Plan hat er noch nicht und wann er einen haben wird, konnte er nicht sagen. Selbst die pragmatische Frage, ob wenigstens das Unkraut regelmäßig entfernt wird, blieb offen.
Parallelen zum Umbau des Portalgebäudes?
Könnte es sein, dass all diese hektischen CDU-Aktivitäten darauf abzielen, den Umbau des Suhler Busbahnhofes einfach erst mal ein bisschen auszubremsen? Parallelen zur bekannten Blockade von Sanierung und Umbau des Portalgebäudes tun sich auf. Schön, dass dieses gut inszenierte Spiel von immer mehr Bürgern durchschaut wird. Sonst würden wohl kaum so viele Suhler ihre Unterschrift unter die Forderungsliste der Bürgerinitiative „Umbau und Sanierung des Portalgebäudes“ setzen.
Das historische Suhler Bahnhofsgebäude liegt uns Freien Wählern natürlich auch sehr am Herzen. Einen Eigentümer, der ehrlichen Mutes dort investiert, werden wir als Stadträte natürlich unterstützen. Aber da muss eben erst mal ein Plan her. Deshalb kümmern wir uns jetzt erst einmal darum, dass das Projekt „ÖPNV/Bahn-Verknüpfung in Suhl“ nicht unter die Räder kommt.
Ingrid Ehrhardt, Fraktionsvorsitzende Freie Wähler Suhl